Gedichte
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Re: Gedichte
von Kamelia am 09.07.2010 11:08"Anfangs wollt ich fast verzagen,
Und ich glaubt, ich trüg es nie;
Und ich hab es doch getragen-
Aber fragt mich nur nicht, wie ?
Heinrich Heine
(aus Buch der Lieder)
Re: Gedichte
von Melanie80 am 09.07.2010 11:11Wie lange ich lebe, hängt nicht von mir ab.
Dass ich aber wirklich lebe,solange ich bin,
das hängt von mir ab.
(Seneca)
http://www.cosgan.de/images/smilie/musik/k015.gif
Renate
Gelöschter Benutzer
Re: Gedichte
von Renate am 12.07.2010 22:43Ich bin der Juli
Grüß Gott! Erlaubt mir, dass ich sitze.
Ich bin der Juli, spürt ihr die Hitze?
Kaum weiß ich, was ich noch schaffen soll,
die Ähren sind zum Bersten voll;
reif sind die Beeren, die blauen und roten,
saftig sind Rüben und Bohnen und Schoten.
So habe ich ziemlich wenig zu tun,
darf nun ein bisschen im Schatten ruhn.
Duftender Lindenbaum,
rausche den Sommertraum!
Seht ihr die Wolke? Fühlt ihr die Schwüle?
Bald bringt Gewitter Regen und Kühle.
(Paula Dehmel 1862 - 1918)
Re: Gedichte
von Micky am 13.07.2010 13:01Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
(Hermann Hesse)
Gruß Micky
hanni_nanni
Gelöschter Benutzer
Re: Gedichte
von hanni_nanni am 13.07.2010 14:18Mein Zimmer duftet königlich fein,
Veilchenprinzessinnen zogen ein.
schwärmen und wärmen mit weichblauen Augen,
fächeln und hauchen schmachtende Lächeln,
winken mit feinen, vornehmen Gliedern,
laden mich ein.
Ich neige mich nieder,
ihr Page bin ich,
ihre Lippen sind mein.
Ich schwöre ewige, ewige Liebe,
sie schweigen so süß,
schauen so ernst aus schwerblauen Augen.
Meinen, Sie, Schwüre und Blumen verwelken?
Sie lächeln und weinen,
meine kleine Prinzessen.
Dauthendy, Max (1867-1918)
lg hanni-nanni
Re: Gedichte
von Fiete_Appelschnut am 13.07.2010 15:40aus aktuellem Anlaß (bei uns hats gestern drei Riesenbäume umgeworfen!):
Der Himmel wird so schwarz, als würd es Nacht.
Der bleiche Schein der fernen Blitze loht.
Wie Todes Aug aus gelber Maske droht.
Das Wetter zieht herauf in dunkler Pracht.
Der erste Windstoß preßt die Kiefern rauh.
Die Raben wirbeln auf wie schwarzes Laub.
Vom weißen Strande wälzt sich hoch der Staub.
Und zieht zur See hinaus wie Wolken grau.
Die Möwen ziehn am Wasser ihren Kreis.
Ihr Fittich ist wie Frauenschultern rein.
Des Ufers Villen stehen in dem Schein
Des wetterdunklen Himmels seltsam weiß.
Der Regen rauscht in Abends Dunkelheit.
Fern in den Wolken noch der Donner hallt.
Im Wind und Regen friert der Uferwald
Wie in Novemberabends Traurigkeit.
Georg Heym, 1887-1912
Renate
Gelöschter Benutzer
Re: Gedichte
von Renate am 27.10.2010 10:53Träume nur, Seele
In den verdämmernden Herbsttag hinein
zauberst du lachenden Sonnenschein,
und aus der Blätter vergilbendem Flor
blühen dir duftige Veilchen empor,
träumende Seele.
Tönt denn der Glocken dumpfhallender Klang
dir wie ein schmetternder Lerchengesang?
Siehst du der Erde verweintes Gesicht,
fühlst du die eisigen Nebel denn nicht,
träumende Seele? -
Träume nur, träume ... der Frühling ist weit;
Rosen hat's nimmer im Winter geschneit -
dumpf nur und klagend, verweht vom Nordwest,
läuten die Glocken zum Totenfest.
Träume nur, Seele
Clara Müller (1861-1905)
Renate
Gelöschter Benutzer
Re: Gedichte
von Renate am 28.11.2010 10:21
Es ist Advent!
Die Blumen sind verblüht im Tal, die Vöglein heimgezogen,
Der Himmel schwebt so grau und fahl, es brausen kalte Wogen.
Und doch nicht Leid im Herzen brennt: Es ist Advent!
Es zieht ein Hoffen durch die Welt, ein starkes, frohes Hoffen,
das schließet auf der Armen Zelt und macht Paläste offen,
das kleinste Kind die Ursach kennt: Es ist Advent!
Advent, Advent, du Lerchensang von Weihnachts Frühlingßtunde!
Advent, Advent, du Glockenklang vom neuen Gnadenbunde!
Du Morgenstrahl von Gott gesendt! Es ist Advent!
Friedrich Wilhelm Kritzinger (1816-1890)
Renate
Gelöschter Benutzer
Re: Gedichte
von Renate am 29.11.2010 23:21Winter
Die Kälte kann wahrlich brennen
Wie Feuer. Die Menschenkinder
Im Schneegestöber rennen
Und laufen immer geschwinder.
Oh, bittre Winterhärte!
Die Nasen sind erfroren,
Und die Klavierkonzerte
Zerreißen uns die Ohren.
Weit besser ist es im Summer,
Da kann ich im Walde spazieren,
Allein mit meinem Kummer,
Und Liebeslieder skandieren.
Heinrich Heine (1797-1856)
Re: Gedichte
von Schmetterling0305 am 30.11.2010 19:50Weihnachten
Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen -
O du gnadenreiche Zeit!
(Joseph von Eichendorff)