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Re: Meine Geschichte
von Ruedi am 04.06.2010 15:28Zuerst einmal vielen Dank an Alle für eure Antworten
Ich bin selbst überrascht wie gut ich mich fühle, seit dem ich mit Anderen und vor allem mit meiner Freundin endlich mal über meine Probleme geredet habe. Ich hab eben auf meiner Terasse festgestellt wie schön Vogelgezwitscher sein kann - ihr wisst was ich meine.
Das Erfreulichste an allem aber ist die Stimmung bei uns zu Hause - soviel geredet und gelacht wie gestern habe ich und meine Freundin seit bestimmt 10 Jahren nicht mehr.
Danke und liebe Grüße an Alle
Rüdiger
Meine Geschichte
von Ruedi am 03.06.2010 15:05Ich schreibe diese Geschichte, weil ich keine Lust mehr habe zuzuschauen, wie diese Krankheit mein Leben zerstört.
Kapitel 1
Wie alles begann
Vor ca 17 Jahren war ich wegen ständiger Knieschmerzen bei meinem Hausarzt. Es begann die übliche Prozedur, Röntgen usw.. Da er aber zu keinem Ergebnis kam schickte er mich vorsichtshalber zur Untersuchung ins Krankenhaus. Wie sich später herausstellte hat die untersuchende Ärztin in ihrem Bericht damals bereits den Verdacht auf Lupus geäußert, was mir aber nicht gesagt wurde. Auf Nachfrage bei meinem Arzt, was denn bei der Untersuchung heraus kam, sagte er mir Zitat: „ ach, nichts besonderes – eine übereifrige Kollegin hat Unsinn diagnostiziert“.
Ich nahm es so hin und lebte viele Jahre ohne größere Probleme bis zum Jahr 2002.
Im Jahr 2002 musste ich, nachdem ich meine Arbeit verlor, eine Umschulung machen und stand kurz vor der Prüfung mit dem üblichen Prüfungsstress. Hinzu kam, dass wir mitten in der Bauphase von unserem neuen Haus waren und ich denke jeder, der einmal gebaut hat kennt den Ärger, den man während dieser Zeit um die Ohren hat. Als dritter Punkt kam die plötzliche schwere Krankheit meines Vaters hinzu. Das hatte mir gerade noch gefehlt – ausgerechnet jetzt – ausgerechnet jetzt fällt der Mann aus, der sich mein ganzes Leben um alles, um wirklich alles gekümmert hat – der jedes Problem das ich hatte aus der Welt geschafft hat.
Das war‘s – mein Lupus hatte leichtes Spiel mit mir. Ich kam ins Krankenhaus und zum Glück zu einem Arzt, der sofort nach der Blutuntersuchung wusste was los ist. Der Test ergab über 100000 Antikörper/ml. Mit einer Mischung aus Erstaunen und Bestürzung erklärte mir der Arzt, dass er diese Anzahl an Antikörpern bisher nur bei einer Person festgestellt hatte, welche allerdings nicht mehr unter den Lebenden weilte.
Na super, dachte ich, das hilft mir ungemein!
Kapitel 2
Mein Leben seit dem
Mein Leben hat sich seit diesem Tag völlig verändert. Es besteht aus guten Tagen und schlechten Tagen, wobei man diese unterscheiden muss in körperlich gute und schlechte Tage und vor Allem in seelisch gute und schlechte Tage. Das ungerechte daran ist, dass ein körperlich guter Tag nicht immer, oder besser gesagt, so gut wie nie, auch ein seelisch guter Tag ist.
Die körperlich schlechten Tage sind eigentlich kein großes Problem für mich – mit denen kann man sich arrangieren. Das sind meistens solche Dinge wie Gelenkschmerzen, Schmerzen beim Atmen und in letzter Zeit häufiger mal Schmerzen in der Brust.
Ganz banale Dinge wie die Steine vor meiner Tür, die für meinen Teich bestimmt sind, konnte ich bis heute nicht hinters Haus bringen – seit nunmehr zwei Wochen – entweder es war ein seelisch guter, aber körperlich schlechter Tag oder umgekehrt. An einem körperlich schlechten Tag schwellen mir nach 20 Minuten Arbeit die Finger an, die Knie werden dick, jedes Gelenk verursacht stechende Schmerzen und mein Körper schreit verzweifelt „aufhören“!
Fazit: nicht einmal dazu bin ich noch nütze.
Viel schlimmer sind die seelisch schlechten Tage, die mir und den Menschen in meinem Umfeld das Leben zur Hölle machen.
Wie kann sich ein Außenstehender nun so einen seelisch schlechten Tag vorstellen?
Ein seelisch schlechter Tag beginnt damit, dass ich morgens schon Probleme habe aufzustehen. Ich fühle mich schlapp, habe Probleme mich für irgendetwas zu motivieren und möchte mich am liebsten in irgendein Loch verkriechen. Ich komme ins Bad, schaue in den Spiegel und sehe mich – sehe wie ich mich äußerlich verändert habe – den vom Kortison angeschwollenen, hochroten Kopf. Jetzt ist der Restfunke an Motivation für diesen Tag endgültig weg.
Und jetzt beginnen sie, die Selbstzweifel und depressiven Gedanken.
Dieser Tag ist hin – das ist klar. Das Schlimmste aber ist, dass ich alles, was ich mir für den Tag vorgenommen habe nicht erledige – nicht erledigen kann oder nicht erledigen will – ich kann es nicht sagen. Selbst Kleinigkeiten, die in ein oder zwei Stunden gemacht sind, schaffe ich nicht – sie stehen vor mir wie ein riesiger Berg. Abends kommt dann der Stress, der seelische Stress, weil alles was zu erledigen war liegen geblieben ist. Das musst du unbedingt morgen machen, sage ich mir, unbedingt!
Viel schlimmer aber sind die Dinge, die aus diesem ständigen Selbstzweifel resultieren. Meine krankhafte Eifersucht und der erdrückende Kontrollzwang. Wer soll einen Menschen mögen, der sich selbst nicht mag - wer soll einen Menschen lieben, der sich selbst hasst?? Diese Frage stelle ich mir an so einem Tag ununterbrochen.
Zur Erklärung sollte ich erwähnen, dass meine Freundin eine wirklich Hübsche ist, was die Sache nicht unbedingt erleichtert. Was findet sie an mir, frage ich mich – die könnte mit einem Fingerschnipp 30 Bessere finden als mich. Warum sucht sie sich nicht einen Anderen?? Vielleicht tut sie es ja, vielleicht hat sie ja einen Besseren, sagen mir meine vom Lupus zerfressenen Gedanken.
Jetzt kommt die Sache in Fahrt – die Sache die mein Leben beinahe endgültig zerstört hat.
Ich komme nach Hause und sie ist nicht da – keine Ahnung wo sie ist – sie trifft sich bestimmt heimlich mit einem Anderen. Sie müsste längst von der Arbeit zurück sein – schon fast eine Stunde zu spät – da steckt sicher ein Kerl dahinter. Sie sagt sie fährt zu ihrer Mutter, das muss ich kontrollieren bevor ich es glaube – ich rufe einfach mal an – aus irgendeinem dummen erfunden Grund.
So geht das immer und immer wieder an diesen widerlichen schlechten Tagen.
In diesen Momenten erkenne ich mich selbst nicht wieder. Ich habe das Gefühl, dass in mir zwei Menschen leben, der normale, lustige und lebensfrohe, der ich einmal war und der vom Lupus zerfressene, der in solchen Momenten anscheinend das Sagen hat.
Anstatt mich mit ihr zu freuen, wenn sie mal einen schönen Tag hatte – was dank meinem Verhalten mittlerweile ja eh recht selten vorkommt – frage ich mich, was wohl der Grund ihrer guten Laune ist – da ist doch irgendetwas oberfaul.
Ich kontrolliere Rechnungen und Belege um herauszufinden zu welcher Zeit sie wo war – ich kontrolliere Handyeinträge um herauszufinden mit wem sie gesprochen hat usw. usw. – das volle Programm eben.
Mein normales Ich sagt mir dann, dass ich nicht ganz dicht bin, aber mein Lupus-Ich hat an diesen schlechten Tagen das Sagen.
Die Quittung für dieses Verhalten, welches ich mir an normalen Tagen selbst nicht erklären kann, habe ich nun erhalten.
Ich habe um ein Haar das mir Liebste auf der Welt verloren …………..
Das Gute daran war, dass mich dieser „Schock“ endlich wachgerüttelt hat und mir zu ersten mal in all diesen Jahren bewusst wurde, wie ich mich dem Menschen, der trotz alledem immer zu mir gehalten hat, gegenüber benommen habe.
Es gibt ein altes Sprichwort, das besagt, dass Selbsterkenntnis der erste Weg zur Besserung sei, was in meinem Fall, das kann ich mit Fug und Recht behaupten, voll zutrifft.
Ich habe meinem Lupus-Ich den Kampf angesagt und bin mir heute sicherer denn je, dass ich ihn gewinnen werde und kann nur all denjenigen, die sich in dem was ich geschrieben habe vielleicht selbst ein wenig wiedererkennen raten das Gleiche zu tun, sonst zerstört ihr nicht nur euer eigenes Leben, sondern auch das aller Menschen in eurer Umgebung – vielleicht unbewusst und auch sicherlich ungewollt, aber ihr tut es!!
Ich habe diese Geschichte für all diejenigen geschrieben, die sich, aus welchem Grund auch immer, für diese heimtückische und bösartige Krankheit interessieren und für mich, der sich nun nach vielen Jahren Selbstmitleid entschlossen hat, sich zu öffnen, über seine Probleme zu reden und damit die Grundlage geschaffen hat sein Leben zu ändern und seinem Lupus-Ich keine Chance mehr zu gewähren!
Vor Allem aber ist diese Geschichte für die Menschen, die mir das Wichtigste sind, denen ich viele Jahre verheimlicht habe wie es mir geht und um ihnen die Möglichkeit zu geben, zu verstehen, warum ich so war wie ich war.
Nicht um mein Verhalten zu entschuldigen, nur um es zu verstehen!
Liebe Grüße an Alle
Rüdi
PS: Carmen ich liebe dich!