Was manchmal dahinter steckt, wenn Pharmaunternehmen Präparate vom Markt nehmen
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Was manchmal dahinter steckt, wenn Pharmaunternehmen Präparate vom Markt nehmen
von Leya am 03.02.2013 03:29Quelle und weitere Infos: http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/mdr/2013/sendung-vom-30012013-110.html
desiderata
Gelöschter Benutzer
Re: Was manchmal dahinter steckt, wenn Pharmaunternehmen Präparate vom Markt nehmen
von desiderata am 04.02.2013 14:10@leya
Traurige Realität!
Ich bin über die Marktrücknahme von MabCampath = Alemtuzumab sehr empört, habe bereits vor ein paar Monaten davon erfahren. Es handelt sich dabei um ein Reservepräparat (CD-52-Antigen-gerichteter Antikörper= gegen eine Eigenschaft der weißen Blutzellen) für bestimmte Fälle der therapierefraktären chronisch lymphatischen Leukämie, das seit gut 10 Jahren (!) zugelassen ist.
Die Marktrücknahme hat den äußerst durchsichtigen Zweck, das Medikament später deutlich teurer (und in größeren Mengen) umzusetzen; ich bin sicher, dass es dann für die Leukämiepatienten wieder zum Einsatz kommen kann - selbstverständlich off-label (da ja hierfür nicht zugelassen in der neuen Variante) und zum neuen Preis.
Hätte man Campath so belassen, wäre es sicher zu einem großflächigen off-label-Einsatz bei MS zum günstigeren Preis gekommen - da hat die Firma früh und leider zu Lasten schwer Kranker vorgebaut!
DAS ist für mich maximal unethisch und völlig inakzeptabel.
Hier auch ein Artikel dazu:
Gruß, desiderata
Re: Was manchmal dahinter steckt, wenn Pharmaunternehmen Präparate vom Markt nehmen
von sungmanitu-wakan am 12.02.2013 13:45Wenigstens scheint es einen, wenn auch komplizierten Weg für betroffene Leukämiekranke zu geben- siehe Fettdruck im Artikel.
Gruß Susanne
Kopie aus: Gute Pillen-Schlechte Pillen" aktuelle Ausgabe
Krebsmedikament vom Markt
Alemtuzumab (MabCampath®) ist ein Antikörper zur Behandlung einer seltenen Form der Leukämie. Es hat sich gezeigt, dass dieses Arzneimittel wohl auch bei der Multiplen Sklerose (MS) wirksam ist. Der Anbieter Genzyme, eine Tochtergesellschaft des deutsch-französischen Konzerns Sanofi, hat für diese neue Indikation eine Zulassung beantragt und verspricht sich davon einen deutlich höheren Umsatz. Allein in Deutschland leben derzeit 130.000 Patienten mit MS und jährlich gibt es etwa 2.500 Neuerkrankungen.
Für den Hersteller gibt es aber ein „kleines" Problem: Während gegen Leukämie hohe Dosierungen von Alemtuzumab benötigt werden, erfordert die Behandlung von MS nur eine niedrige Dosierung. Will das Pharmaunternehmen also viel Geld verdienen, muss es den Preis pro Dosis drastisch erhöhen. Wie verhindert man nun aber, dass Ärzte das „alte" preisgünstigere Alemtuzumab (MabCampath®) anstelle des neuen, viel teureren Alemtuzumab gegen MS einsetzen? Die Lösung: Genzyme nimmt MabCampath® zur Behandlung der Leukämie einfach vom Markt.
Der Hersteller betont, dass „diese Entscheidung in keiner Weise aufgrund von Bedenken bezüglich der Sicherheit, Wirksamkeit oder Lieferbarkeit des Arzneimittels getroffen wurde". Deutlicher ist da die Mitteilung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, die ohne Schnörkel sagt, dass der Hersteller die Zulassung „aus kommerziellen Gründen" zurückgibt. Im Jahr 2011 lag der Umsatz von MabCampath® bei „nur" 1,2 Millionen Euro. Für das MS-Medikament ist sicher ein Vielfaches zu erwarten.
Das Nachsehen haben die Leukämiepatienten, ihre Angehörigen und auch Ärzte. Um deren Zorn zu bezähmen, bietet Genzyme an, Alemtuzumab für Leukämiepatienten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Der behandelnde Arzt muss für jeden Patienten das Mittel beim britischen Pharmazwischenhändler Clinigen einzeln bestellen. Das macht nicht nur die Beschaffung für die Krankenhäuser umständlich, es geschieht auch am Rande der Legalität. Da das Arzneimittel nicht (mehr) zugelassen ist, ha&et bei Schäden nicht mehr das Pharmaunternehmen, sondern die behandelnden Ärzte.
Das wurde bereits scharf kritisiert.1,2,3 Dass Hersteller, die sonst immer die Wichtigkeit ihrer Medikamente und ihr verantwortungsvolles Handeln betonen, aus kommerziellen Gründen ein Medikament vom Markt nehmen, für das es keinen anständigen Ersatz gibt, ist moralisch verwerflich, aber gegenwärtig legal.
Die Bundesregierung müsste darauf drängen, dass auf nationaler wie auf europäischer Ebene Regelungen getroffen werden, damit unentbehrliche Medikamente nicht einfach nach Gutdünken des Herstellers vom Markt verschwinden. Japan könnte dabei als Vorbild dienen. Bei Antrag auf Marktrücknahme werden dort zunächst die ärztlichen Fachkreise befragt. Und eine Genehmigung erfolgt nur, wenn diese zustimmen, dass es sich nicht um ein dringend erforderliches Arzneimittel handelt.
Quellen
1 ARZNEIMITTELBRIEF (2012) 46, S. 67
2 arznei-telegramm (2012) 43, S. 73
3 DMSG (2012) Kompass Nr. 2, S. 34 www.dmsg-berlin.de/+leadmin/Kompass/Kompass_02_12_web.pdf
Erst habe ich gemerkt, daß es so ist -
und dann habe ich begriffen warum es nicht anders sein kann.
Und doch will ich das es anders wird!
Tucholsky