Der Raynaud und eine Nadel aus dem Heuhaufen

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calina

55, Weiblich

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Der Raynaud und eine Nadel aus dem Heuhaufen

von calina am 23.05.2015 12:04

Hallo Ihr Lieben,

ich lese hier schon eine Weile sporadisch mit.

Wollte einen kleinen Erfahrungsbericht beisteuern. Ich habe ein Raynaudsyndrom. Schon ewig. Anfänglich so, wie man das üblicherweise beschrieben findet, anfallsartig, vorübergehend, begrenzt auf ein paar Fingerspitzen. Das nahm mit der Zeit immer mehr Raum ein. Erst Fingerspitzen, dann Finger, schließlich die ganzen Hände, Füße, durch die Beine bis an die Hüfte, irgendwann ist es völlig entgleist. Aus den Anfällen wurde ein permanenter Zustand, mit wechselnder Intensität. Es war nur noch kalt. Phasenweise entsetzlich kalt. Da ganz tief innen drin. Jeder Tropfen Wasser auf der Haut hat mich in den Wahnsinn getrieben. Selbst Saunatemperaturen reichten nicht mehr zum kompletten Auftauen. Manchmal konnte ich mich nicht mehr bewegen. Steifgefroren, kraftlos. Die Sensorik ließ nach, die tauben Stellen wurden mehr. In einer viel zu straffen Haut. Ich hatte dann noch eine zeitlang versucht, mit Nifedipin gegenzusteuern, die glatte Muskulatur am sich Anspannen zu hindern. Das brachte irgendwann auch nichts mehr.

So, und natürlich hab ich in meiner Verzweiflung alles mögliche gelesen und bin schließlich über den umgekehrten Prozess gestolpert. Also nicht, die Gefäßwände dran hindern zu wollen, sich anzuspannen, sondern es ihnen zu ermöglichen, sich wieder zu entspannen. Vor 15 Jahren haben mal drei Ärzte für die Entdeckung, wie die Entspannung der Gefäßmuskulatur abläuft, einen Nobelpreis verliehen bekommen. Nur scheint das Wissen um diesen Mechanismus nur sehr begrenzt in die spärlichen Therapieansätze von Raynaud eingeflossen zu sein, zumindest habe ich von solchen Gedanken nichts bemerkt. Aus dem Endothel vom Blutgefäß diffundiert Stickoxid in die das Gefäß ummantelnde glatte Muskulatur, und sorgt dort dafür, dass sich die Muskelzellen entspannen. Das Stickoxid kommt aus einer Aminosäure, L-Arginin (von der der Körper einen Teil des Bedarfs üblicherweise selbst erzeugt, die ist semi-essenziell). Soweit ich das gelesen habe, ist nach dem derzeitigen Wissensstand L-Arginin die einzige Quellsubstanz, aus der in den Gefäßwänden das Stickoxid kommt. Sprich, wenn die fehlt, kann das nicht funktionieren... Naja, zumindest wenn man in einer banalen Logik denkt. Ich bin nicht vom Fach, wahrscheinlich ist dieser Prozess viel komplexer. Keine Ahnung, ob es da noch irgendetwas auf- oder wegräumt oder was da sonst noch so alles passiert.

Was ich schreiben wollte, ist, ich habe das ausprobiert. Hab mir ein bißchen L-Arginin verabreicht. Die Folge war ein Donnerschlag. Eine halbe Stunde später hatte ich endlich wieder Platz in meinem viel zu engen Körper, gefühlt eine doppelte Lungenkapazität, es wurde warm. Seither nehme ich es regelmäßig und alles ist anders. Die Krämpfe lösen sich fortschreitend. Mit jeder Dosis atmet es sich leichter, ich spüre meinen Körper wieder, von dem gefühlten viel zu kleinen Ganzkörperkettenhemd platzen schrittweise die Maschen auf, ANAs sind wieder unauffällig, Blutdruck wieder unten...

Die Studienlage dazu ist karg. Man findet in der Literatur ein paar Vorstöße, meist mit sehr begrenzten Patientenzahlen und recht variablen Ergebnissen. Jetzt gibt's bestimmt alle möglichen Faktoren und Ursachen für ein Raynaudsyndrom, weiss ja keiner so genau, was da eigentlich hinter steht. Ich glaube auch nicht, dass krampfende Gefäßwände in allen Fällen etwas mit mangelndem oder falsch verstoffwechseltem L-Arginin zu tun haben. Für mich ist durch das L-Arginin ein anderes Leben angebrochen. Und da bei den meisten Ärzten dieser Gedanke im Praxisalltag nicht präsent ist, wollte ich hier meine Erfahrungen mit euch teilen. Vielleicht ist es für die eine oder andere ähnlich Betroffene von euch einen Versuch wert.

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Dinah

56, Weiblich

Beiträge: 30

Re: Der Raynaud und eine Nadel aus dem Heuhaufen

von Dinah am 23.05.2015 16:45

Hallo Calina!
Deinen Bericht finde ich äußerst interessant! Ich bin aber auch erstaunt, weil der Zusammenhang (zwischen Stickoxid= NO und Autoimmunkrankheiten bzw. Raynaud) in meiner Vorstellung immer anders war. Was ich ebenfalls so gehört hatte wie Du ist, dass Stickoxid die Muskulatur zentraler Organe (wie Herz und Lunge; deshalb wird es z.B. ja auch bei Angina pectoris und anderen Herzproblemen empfohlen) und die der Gesichtshaut weitstellt, dass aber die Kapillarmuskulatur in der Peripherie (Arme/Beine) durch Stickoxid eng gestellt wird.

Ich selbst war vor 5 Jahren mal bei Dr. Bodo Kuklinski, einem bekannten Umweltmediziner aus Rostock, der ganz viel zum Thema Stickoxid bzw. nitrosativer Stress (Nitrostress) geforscht und veröffentlicht hat. Neben allen möglichen Blut- und Urinuntersuchungen misst er auch als Eingangsdiagnostik immer den Stickoxidgehalt (NO) in der Atemluft. Der war bei mir exorbitant hoch (er meinte wörtlich, so einen hohen Wert würde er einmal im viertel Jahr messen). Neben diversen Nahrungsergänzungsmitteln (an erster Stelle Vit. B12), die das NO etwas abfangen (NO verbraucht B12, weshalb viele Autoimmunpatienten zu B12-Mangel neigen), empfahl er mir, so gut wie möglich Arginin zu meiden. Ich habe eine undiff. Kollagenose mit einem leichten, inkompletten Raynaudsyndrom (meine Arme und Beine sind ganz oft leicht bläulich), mein Gesicht ist meist rot...

Dr. Kuklinski (und viele andere Forscher) sieht eine dauerhaft erhöhte Stickstoffbelastung mit daraus resultierendem nitrosativem Stress (so eine Art intrazellulärer oxidativer Stress) als die gemeinsame Ursache der meisten chron. Krankheiten. Andererseits ist es so, dass wenn dann die chron. Krankheit erst mal eingetreten ist, und das gilt ganz besondere für Autoimmunerkrankungen, hierdurch aufgrund des Entzündungsgeschehens noch mehr Nitrostress und NO erzeugt wird. (Das soll so eine Art Teufelskreis sein).

Anscheinend ist die Situation bei Dir aber irgendwie anders, sonst würdest Du nicht so vom Arginin profitieren.

Die NO-Messung in der Atemluft ist eher schwierig, bzw., die wird von nur sehr wenigen Ärzten/Laboren angeboten. Man kann aber, wenn man wissen möchte, ob zu viel NO vorliegt, eine einfache Urinuntersuchung machen (Nitrostress-Testset, z.B. vom Labor Ganzimmun. Das kann man als Endanwender einfach dort anfordern), man bekommt dann eben indirekte Hinweise auf eine NO-Belastung (bzw. Störungen im NO/OHNOO-Zyklus).

Bevor jemand Arginin ausprobieren möchte zur Verbesserung des Raynauds würde ich empfehlen, erst diese Untersuchung zu machen, damit die Sache nicht nach hinten losgeht. Es scheint doch alles komplizierter zu sein bzw. vielleicht liegt nicht jedem Raynaud der exakt gleiche pathophysiologische Mechanismus zu Grunde. Würde da gern noch mehr drüber ´rausfinden....

LG

Dinah

Antworten Zuletzt bearbeitet am 23.05.2015 16:48.

calina

55, Weiblich

Beiträge: 2

Re: Der Raynaud und eine Nadel aus dem Heuhaufen

von calina am 31.05.2015 22:48

Hallo Dinah,
danke für deine Hinweise. Das war eine gute Anregung, noch ein paar Sachen zum Thema zu lesen (und, ja, noch mehr drüber rausfinden würd ich auch gern...). Ich würde vermuten, dass es da ein "physiologisches Level" gibt, wie bei fast allem, und alles außerhalb dessen ist nicht gut. Das dürfte ziemlich individuell sein... Substituieren macht natürlich nur dann Sinn, wenn etwas wirklich fehlt. In dem Fall macht es dann auch eine Menge Sinn.

Wobei ich keinen Hinweis gefunden habe, dass der Gefäßtonus in der Peripherie durch andere Mechanismen reguliert würde als als zentral. Hast du dazu vielleicht noch eine Literaturangabe (also außer denen von Dr. Kuklinski) oder eine doi-Nummer oder so?

lg,
Calina

Antworten Zuletzt bearbeitet am 31.05.2015 22:49.

Dinah

56, Weiblich

Beiträge: 30

Re: Der Raynaud und eine Nadel aus dem Heuhaufen

von Dinah am 01.06.2015 08:21

Hallo Calina,
ich weiß leider nicht mehr, woher ich die Info habe und ob es eine mündliche Mitteilung von Dr. Kuklinski war oder ich es in einem Fachartikel gelesen habe. Auf die Schnelle konnte ich leider auch nichts im Netz dazu finden. Wenn ich mal etwas Zeit habe, klemme ich mich mal dahinter...
LG
Dinah

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Rosi
Gelöschter Benutzer

Re: Der Raynaud und eine Nadel aus dem Heuhaufen

von Rosi am 13.06.2015 18:12

Anfänglich so, wie man das üblicherweise beschrieben findet, anfallsartig, vorübergehend, begrenzt auf ein paar Fingerspitzen. Das nahm mit der Zeit immer mehr Raum ein. Erst Fingerspitzen, dann Finger, schließlich die ganzen Hände, Füße, durch die Beine bis an die Hüfte, irgendwann ist es völlig entgleist. Aus den Anfällen wurde ein permanenter Zustand, mit wechselnder Intensität. Es war nur noch kalt. Phasenweise entsetzlich kalt. Da ganz tief innen drin. Jeder Tropfen Wasser auf der Haut hat mich in den Wahnsinn getrieben. Selbst Saunatemperaturen reichten nicht mehr zum kompletten Auftauen.

Hallo,

das hört und liest sich für mich gar nicht nach einem Raynaud Syndrom. Wenn du das am ganzen Körper hat ist das was anderes, Akronzyanose zB. Das sind keine Spassmen, die du schilderst, sondern Durchblutungsstörungen im ganzen Körper, das ist was ganz anderes.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 13.06.2015 18:13.

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