Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
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Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von solea am 11.06.2012 11:15@Bianca
natürlich gebe ich Dir recht, dass auch andere Berufsgruppen ethisch handeln sollten.
Irgendwie sind diese Werte nicht mehr so "hip", aber das andere Berufsgruppen sich auch nicht ethisch verhalten, kann ich ja als Gegenargument nicht zählen lassen.
Grüße
solea
desiderata
Gelöschter Benutzer
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von desiderata am 11.06.2012 11:16@Bianca
Ich glaube nicht, dass du etwas falsch verstanden hast. Die Thematik ist viel komplexer, als sie hier überhaupt diskutiert werden kann.
Ein paar Aspekte:
1. Die Krankenkassen bestimmen mit, wie die Existenz von Krankenhäusern läuft (Moral? Optimale Versorgung? Fehlanzeige - es geht NUR ums Geld) - u.a. dadurch, dass sie gezielt Erlöse wegbegutachten und damit ihre eigene "Wirtschaftlichkeit" zu Lasten der eigentlichen Leistungserbringer schönrechnen. Nicht umsonst beträgt der Bürokratieaufwand der kranken Kassen ca. 25 % des Gesamtumsatzes - das waren 2011 schlappe vierzig Milliarden Euro!! für Verwaltung. Diese 40 Milliarden zahlen die Versicherten.....
2. Pharmafirmen sponsern in der Tat zahlreiche Fortbildungen (vielleicht sogar in der Toscana, wie solea schreibt) - nehmen die Teilnehmer diese nur für ihren eigenen Vorteil wahr?? Wo und wie bilden sich die Unbestechlichen von MEZIS fort? Wieso sollte jemand nach der Teilnahme an einem Kongress, der von 50 oder 60 Firmen unterstützt wird und ohne diese Gelder nie stattfinden könnte, nicht im Sinne der ihm Anvertrauten entscheiden können?
Fakt ist: Fortbildung kostet Geld - egal, ob dieses aus der Kasse des Fortzubildenden kommt (die dafür entsprechend gefüllt sein müsste....), aus der Kasse der Pharmaindustrie (böse!) oder aus Steuergeldern (wer würde das befürworten??)
Alles Andere ist ein frommer Wunsch. Davon alleine gibt es keinen medizinischen Fortschritt - und von Moral alleine kann kein noch so engagierter Akteur im Gesundheitswesen dauerhaft leben, und wenn er noch einigermaßen gesund im Kopf ist, will er das auch nicht.
Macht und Einfluss im Gesundheitswesen haben längst Andere als die, die an der Front arbeiten - deren Einfluss ist eher marginal....und ich gebe dir völlig Recht, dass ohne geselleschaftliches Umdenken (global!!) und Umschichtung von großen Mengen Geld keine "moralische" Änderung in Sicht ist.
LG, desiderata
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von solea am 11.06.2012 11:40@Leya
puh, da stockt einem echt der Atem
http://www.zeit.de/2012/21/Klinik-Gesundheitsreform
Gesundheit ist ein Allgemeingut und das höchste Gut...
Gruß
solea
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von Leya am 11.06.2012 15:50Hallo,
diese Meldung scheint mir zu diesem Thema zu gehören.
Kliniken fehlen Medikamente
Die Krankenhäuser in Deutschland kämp- fen einem Zeitungsbericht zufolge mit Lieferengpässen bei lebenswichtigen Medikamenten. Insbesondere könnten Pharmafirmen nicht ausreichend Krebsmedikamente und Antibiotika liefern, berichtete die "Frankfurter Rundschau". In manchen Fällen würden Patienten schon mit Arzneien behandelt, die nur zweite Wahl seien. "Lieferengpässe bei relevanten Arzneimitteln" bestätigte auch der Geschäftsführer des Verbandes deutscher Krankenhausapotheker, Tönne. Als Gründe nannte der BPI u.a. Herstellungsprobleme.
Quelle: ARDText Seite 532 am 11.06.2012 um 15:49
http://ardtext.de/?page=532
Warum ist mir dabei bloß sofort "Erpressung" eingefallen? Ob das nur an dem Buch liegt, das ich gerade lese?
Gruß
Leya
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von solea am 11.06.2012 23:15Hallo zusammen,
@desiderata
darf ich Dich zitieren
Warum ist es so abwegig, dass Ärzte ihre Fortbildungen selber zahlen? Also ich finanziere mir meine Fortbildungen monatlich seit 5 Jahren selber. Ich bin auch nie auf die Idee gekommen, mir das "spendieren" zu lassen.
Aber ich finde es auch richtig, dass Steuergelder dafür zur Verfügung gestellt werden, denn Gesundheit ist keine Privatsache, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor.
Jetzt eine gewagte subjektive Parole: Ärzte jammern oft auf hohem Niveau, mit Moral finazieren sie ihre teuren Autos und Segeljachten sicher nicht.
Grüße
solea
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von Leya am 11.06.2012 23:52Hallo,
anschließend an Soleas Ausführungen:
Außerdem dient die Finanzierung von Fortbildungsveranstaltungen durch Pharmaunternehmen auch dem Zweck, ihre Medikamente an den Arzt zu bringen. Unabhängig davon sind doch diese Veranstaltungen nicht etwa ein Geschenk an Mediziner und Allgemeinheit, sondern die dafür aufzuwendenden finanziellen Mittel fließen in die Preiskalkulation für ihre Produkte mit ein.
Den Preis dieser Produkte zahlen die Krankenversicherungen, also wir alle mit unseren Beiträgen und ggf. dem Zuschuss aus der Staatskasse.
Dieses Geld der Krankenversicherungen, unsere Beiträge wären m. E. für unabhängige Fortbildungen besser eingesetzt als für Verkaufsveranstaltungen der Pharmaunternehmen.
desiderata schrieb:
Es ist eben gerade nicht egal.
Die medizinische Versorgung ist ein Teil der Daseinsvorsorge. Die Daseinsvorsorge muss nach meiner Meinung frei von finanziellen Interessen privatwirtschaftlicher Unternehmen sein.
Gruß
Leya
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von Kaffeejunkie am 12.06.2012 02:02Genau da liegt ja das Problem. Alle Pharmahersteller sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die großen sogar fast alle im DAX vertreten. Und das Ziel eines Wirtschaftsunternehmens ist nun mal das Erwirtschaften von Kapital. Und wenn ich dann die bescheuerte Werbung der "forschenden Pharmaunternehmen" sehe, wird mir ganz übel. Die forschen nämlich in keiner Weise für das Wohl der Allgemeinheit, sondern in erster Linie zu Wohl ihrerselbst und ihrer Aktionäre. Und wenn ich dann die Klagen auf hohem Niveau höre, dass die Entwicklung der Medikamente ja soooo teuer ist und ein Medikament bis zur Zulassung Millionen verschlingt, muss man sich nur mal vor Augen halten, wie viele Medikamente mehr oder weniger "zufällig für bestimmte Indikationen entdeckt wurden", ohne dass speziell dafür "geforscht" wurde. Siehe z.B. MTX als Rheumamittel (kommt aus der Tumortherapie, wie viele andere auch) oder Cellcept, Aza & Co., die aus der Transplantationsmedizin kommen und dann - erst im off-label, dann ganz offiziell - z.B. bei AIs eingesetzt werden. Die Liste kann beliebig fortgesetzt werden mit z.B. Betablockern gegen Migräne, Antidepressiva zur Raucherentwöhnung, Prostata-Medikamente gegen Haarausfall bei Männern, Parkinson Medikamente gegen Potenzstörungen etc. etc. ..
Meiner Meinung nach müsste es staatlich geförderte universitäre Forschung geben, was aber in unserem Wirtschaftssystem nicht vorgesehen ist. Gerade Deutschland ist/war ein absolutes Schlaraffenland für die Pharmaindustrie, da hier bis vor kurzem die Hersteller die Preise bei Markteinführung komplett selbst bestimmen konnten und diese Preise dann als Referenzwerte in Europa galten.
Aufgrund aktueller Gesetze (frühe Nutzenbewertung durch den GBA) hat sich die Lage allerdings ein wenig verändert. Ob allerdings zum Wohle der Patienten, lass ich mal offen. Glaxo Smith Kline hat z.B. gerade ein Epilepsie Medikament vom Markt genommen, weil "es sich nicht lohnt". Hintergrund ist, dass das Medikament als "Zusatznutzen nicht belegt" gilt. GSK wollte daher den Kassen bis zur Neubewertung des Medikamentes die Differenz zu einem Preis auf Generikaniveau zurück erstatten. Offiziell sollte das Produkt aber zum Listenpreis verkauft werden. Damit wollte GSK die Preisbildung in anderen Ländern stützen, die auf den deutschen Markt basieren. Dies wurde aber vom GKV-Spitzenverband nicht akzeptiert und somit ist das Medikament in D nicht mehr erhältlich.
Aber es kann auch anders gehen, wie man selbst in Europa sieht. Ich glaube es war Italien. Dort muss jedes Pharmaunternehmen 0,5 % seines Gewinnes (oder Umsatzes) in einen "Forschungs-Fond" einzahlen, aus dem dann die unabhängige universitäre Forschung finanziert wird. Sicherlich gibt es auch da Bestechnung, Schummelei etc. ... aber es wäre doch schon mal ein Anfang.
Kaffeejunkie
desiderata
Gelöschter Benutzer
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von desiderata am 14.06.2012 19:53Da sprichst du ernste Wahrheiten gelassen aus, Kaffeejunkie.
Italien als Beispiel für eine bessere Vorgehensweise anzuführen, lässt mich doch etwas schief schmunzeln.......aber das führt hier vielleicht doch zu weit.
@solea
Selbstverständlich darfst du mich zitieren
Wenn du es sagst.....es gibt eben die Guten und die weniger Guten - und schön, wenn dein Gehalt für umfangreiche Fortbildung ausreicht.
Darf ich trotzdem erwähnen, dass 1. bei weitem nicht alle Ärzte teure Autos und Segelyachten besitzen (um es konkret zu sagen: ich kenne kaum einen) und 2. sehr viele Nichtärzte mit ihrem Verdienst ebenfalls teure Autos finanzieren....?
Der Telekom-Pensionist bei mir um die Ecke (jetzt 53, er ist schon mit 38 wegrationiert worden und seither gesund im steuergeldbezahlten Ruhestand) besitzt trotz 4 Kindern, nicht arbeitender Ehefrau und großem Haus ein teures Auto und 2 Motorräder - ob er vielleicht heimlich Arzt ist??
Okay, ich gebe zu, das ist polemisch. Genau so und dazu noch bigott wird aber die Debatte um Korruption geführt - nicht nur hier. Es gibt viele Facetten, und auch ich bin mir dessen bewusst, dass es Korruption gibt - ich würde sie dennoch nicht pauschal allen Anderen unterstellen wollen - und schon gar nicht ohne Kenntnis der Details
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von solea am 15.06.2012 08:29Hallo desiderata
Lustigerweise kenne ich recht viele Ärzte, die sich auf "dieser Weise fortbewegen" , aber ich gönne sowohl Ärzten als auch deinem Nachbarn jeden Luxus, solange sie sich diesen nicht "unlauter" erworben haben. Da kenne ich keinen Sozialneid.
Genau, ich bin kein praktizierender Arzt und darum beziehe ich meine Informationen, wie schon im Ausgangspost genannt von Insidern : http://www.mezis.de/
Grüße
solea
desiderata
Gelöschter Benutzer
Re: Einfluss der Pharmaindustrie auf die Therapieauswahl
von desiderata am 15.06.2012 12:29@solea
Dann lebst du offenbar in einer privilegierteren Umgebung als ich. Wahrscheinlich kenne ich aber einfach nur die falschen Menschen.
Sozialneid kenne ich auch nicht, ich fand teure Autos, Yachten und Schaukelpferde noch nie wichtig
Ich bin auch kein praktizierender Arzt und beziehe meine Informationen von anderen Insidern.
Kann sein, dass es sich dabei um weniger kritisch denkende Insider handelt - kann sein, dass nicht.
Wer weiß das schon?
Wir werden vermutlich diesbezüglich keinen besonders großen gemeinsamen Nenner finden; das ist auch nicht schlimm.
Ich wünsche uns allerdings, dass wir auch weiterhin medizinisch alle im notwendigen Umfang (das ist nicht das Gleiche wie der gewünschte...) versorgt werden können - was keineswegs selbstverständlich ist und sich in den nächsten Jahren zeigen wird. Hoffen wir auch, dass noch möglichst lange genügend Menschen zur Verfügung stehen werden, die diese Art von Dienst an der Gemeinschaft leisten wollen und vor Allem können.....auch das ist bei aller Moral längst nicht mehr selbstverständlich!
DARUM muss sich diese Gesellschaft kümmern, und diese Bemühungen sehe ich nirgends. Da das aber vom Thema wegführt, soll es das vorerst von mir sein.
Ich danke dir für den Anstoß zu dieser Diskussion
Alles Gute dir, Grüße, desiderata