Wo ist die Gerechtigkeit...
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Gabi
Gelöschter Benutzer
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von Gabi am 25.07.2009 11:20Ich kann die Gedanken sämtlicher Vorredner verstehen und sehe selbstverständlich den ganz besonderen Schmerz derjenigen, die ungerechterweise, ungewollt und ohne Verschulden aus verschiedensten Gründen ohne (eigene) Kinder leben (müssen).
Gerechtigkeit ist ein in mehrfacher Hinsicht großes Wort - ihre Umsetzung sehe ich leider kaum irgendwo in der Gesellschaft, im Kleinen nicht und nicht zuletzt in Folge im Großen ebenso wenig!
Dennoch kann ich mich am besten mit Günthers Gedanken identifizieren; ich bin wie er der Ansicht, dass die Gesellschaft in menschlichen Belangen im großen Stil versagt und sich des über viele Einflüsse, Generationen und Veränderungen herausgebildeten Problems häufig durch simples (Vor-)Verurteilen und Schuldzuweisen entledigt.
Sicher (wie auch maxx sagte) rechtfertigt NICHTS das Umbringen eines Kindes (auch nicht eines erwachsenen Menschen!) - die Einsicht ändert aber noch nichts an den zum Teil grotesken (auch seelischen) Bedingungen, die zu solchen Auswüchsen und Entgleisungen an und von Menschen führen.
Um am Beispiel zu bleiben:
Wer von uns weiß schon, unter welchen Umständen diese junge Frau schwanger wurde, war und zurechtkommen musste? Sie ist nicht die einzige Beteiligte daran gewesen....aber anscheinend ohne Hoffnung und Perspektive.
Mir erscheint es immer seltsam, wenn eine Schwangerschaft bis zu ihrem Ende angeblich von NIEMANDEM bemerkt wurde.....wo war da die Aufmerksamkeit ALLER? War wirklich niemand außer ihr und auch für sie zuständig?
Ich will das auch gar nicht exzessiv diskutieren, aber derartige Vorgänge sind m. E. nicht mit einfachen Mustern zu erklären; hier bedarf es erheblich mehr gesellschaftlicher Anstrengungen als nur einer Verurteilung von Gewalt.
Strukturelle Veränderungen sind in vielfältiger Art und Weise erforderlich, und genau diese edit Notwendigkeit "verdrängen" wir als "kultivierte" (wirklich???) Gemeinschaft nahezu vollständig.
Nachdenkliche und traurige Grüße, Gabi
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von fr.maus am 25.07.2009 14:20Also ich bekomme auch immer eine Gänsehaut und Tränen in den Augen bei solchen Meldungen.
Wie skrupelos Menschen sind unglaublich auch das solche Taten auf eine schlechte Kindheit etc zurückzuführen sind kann ich schon nicht mehr hören.Bei uns im Nachbarort hat auch einer seine Mutter erstochen,der Vater hat es überlebt.Aber das war bzw.ist auch ne freundliche Familie ohne irgentwelche Vorkomnisse.
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von Dani am 25.07.2009 14:46Also ich bin ja der Meinung, dass jeder Mensch zu allem fähig ist. Es braucht nur eine "triggernde" Situation da zu sein.
Zu solchen Taten bedarf es mehrerer Faktoren. Ich sehe es auch so, dass die Gesellschaft dabei eine große Rolle spielt.
Sicher? Man weiß ja nicht, welche Dramen sich innerhalb von Familien abspielen, bevor so etwas passiert. Wir schauen unseren Nachbarn ja meistens immer nur bis vor die Haustüre.
Die Kindheit prägt uns ungemein! Ich habe auch immer gesagt: Ich hatte eine schöne Kindheit, da ist nix, was mich bis heute "belastet". In der Klinik wurde ich eines besseren belehrt. Ich bin immer noch der Meinung, dass ich eine schöne Kindheit hatte! Ich habe aber mit Hilfe der Therapeuten herausgefunden, dass bestimmte Sachen in meiner Kindheit sich auf das ausgewirkt haben, was ich heute bin bzw. wie ich heute in gewissen Situationen reagiere und auch wie ich denke. Zusammengefasst: Meine heutigen Probleme haben ihren Ursprung in meiner Kindheit! Ich betone nochmal: Meine Kindheit war schön!
Liebe Grüße
Dani
Das ganze Leben ist ein Irrenhaus und das Forum ist die Zentrale!
Gabi
Gelöschter Benutzer
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von Gabi am 25.07.2009 14:53Danke, Dani, Du sprichst mir aus der Seele - wir "Gutmenschen" wollen und können es uns nur für uns selbst nicht vorstellen...
Den Unterschied macht im Wesentlichen die sehr variable Hemmschwelle....
LG, Gabi
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von Dani am 25.07.2009 15:21Ganz ehrlich: Ich würde für mich selber nicht die Hand ins Feuer legen. Ich habe schon selber die Erfahrung gemacht, dass ich Sachen getan habe, die ich bei mir nie für möglich gehalten hätte und wo ich mich dann selber total erschrocken habe.
Mit Skrupellosigkeit hat das meiner Meinung nach auch nix unbedingt zu tun (es sei denn, man ist ein Auftragskiller oder so).
Und ich kann mir auch in dem von PinkeMary geschilderten Fall vorstellen, dass es eine Kurzschlussreaktion war. Klar, die Geburt war absehbar. Aber ich denke, man kann auch vor sich eine Schwangerschaft verleugnen (auch wenn ich mir das sehr schwer vorstellen kann). Und dann ist plötzlich das Kind da, die Mutter ist verzweifelt, überfordert, hat niemanden...
Man weiß es nicht.
Ich will diese Tat auch nicht entschuldigen, denn jeder ist letzendlich für seine Taten selbst verantwortlich und sollte dafür auch ggf. zur Rechenschaft gezogen werden.
Und jeder ist auch dafür verantwortlich bei sich selber zu schauen und professionelle Hilfe zu suchen, wenn es "brenzlig" wird.
Und gerade auch solche "Familienmorde/-suizide" sind nur der Gipfel eines Eisbergs. Ich kann mir nicht vorstellen, dass davor alles in Ordnung war.
Liebe Grüße
Dani
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Gabi
Gelöschter Benutzer
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von Gabi am 25.07.2009 15:36Das ist absolut unstrittig und eine völlig andere Baustelle....Erklärungen sind ja keine Entschuldigungen!
Und das ein leider typischer, häufig verdeckter und verkannter Knackpunkt...
maxx
Gelöschter Benutzer
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von maxx am 25.07.2009 15:47Das sehe ich auch so, doch möchte ich dem noch etwas zusetzen, da ich denke, dass das ein Punkt xy in einer langen Reihe von Punkten ist, dem Handeln gehen schon einige Gefühle und Gadanken voraus.
Bestimmt hätte gerne jeder schon mal einem anderen seine Faust in den Bauch, ins Gesicht oder sonstiges landen wollen, und je nach Lebenssituation, nach Provokation oder Ungerechtigkeit sogar was schlimmeres bis hin zum Mord, aber was hat jeden von den bisher "Nichtgehandelten" davon abgehalten? Was keinen von uns Menschen in keiner Weise zu etwas besserem macht, und auch keinen von uns davor schützt, mal vor so einer Entscheidung zu stehen.
Gewalttaten an Erwachsenen oder wie hier an dem Fall an einem gerade eben geborenen Säugling sind in meinen Augen zwei völlig verschiedene Paar Schuhe - und da kann ich mir auch nicht vorstellen, dass sie in irgendeiner Weise zu vergleichen sind....
Und um nochmal auf das mit Gewalt an einem Säugling und unsere Gesellschaft und Politik zurückzukommen, zermartere ich mir schon jahrelang den Kopf, wie das in die Praxis umzusetzen ist. Ausreden gibt es genug, und leicht ist es immer zu sagen, die Politik muß, die Gesellschaft muß.
Aber was genau muß sie denn? Was genau kann denn jeder Einzelne tun? Die Familien die immer mehr Hilfe brauchen, die nur von Tag zu Tag leben, und das Familienleben immer mehr stirbt, werden mehr. Und ja, wie sollen Kinder die kein "Familienleben" hatten ein eigenes Familienleben aufbauen ..... Um diese ganzen Familien aufzufangen, brauchen wir Unmengen an bereiten Hilfskräften, die psychisch und physisch auch Stark genug dafür sind.
Ich muß ehrlich gestehen, ich würde nicht bemerken, wenn in meiner Nachbarschaft was passieren würde, bzw. sich bei einem was zusammenbrauen würde. Das ist ziemlich traurig, denn Ausreden dafür fallen mir genug ein, aber keine Vorschläge für persönliche und politische Idee, geschweige denn einer Finanzierung solcher Auswirkung von Not und Hilfe.
Ist schon wie Gabi beschrieb - gibt es hier Gerechtigkeit - wie läßt sie sich schaffen.
Was uns aber nicht hilft, ist die Entwicklung der Schuldverschiebung und Schuldverteilung, doch denke ich, dass ohne ein gewisses Schuldempfinden wir bald ein Tohuwabohu haben. Und vielleicht hätte es diese Frau davon abgehalten, ihren Säugling zu erstechen. Was ja auch nicht die Schuldfrage der Ursache ihres Handelns klärt, doch auch DAS sind 2 verschiedene Vorgänge - nur weil an einer Stelle Unrecht getan wurde - kann nicht gerechtfertigt werden, ein weiteres Unrecht zu begehen.
Lieben Gruß
Maxx
tunixe
Gelöschter Benutzer
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von tunixe am 25.07.2009 16:04Ich bin immer wieder dankbar für die Lebensumstände, die mich Mutter zweier Wunschkinder werden ließen.
Bertholt Brecht "Von der Kindesmörderin Marie Farrar"
Lutz Görner
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von anniidol am 25.07.2009 19:00wie oder von wem wurde die Tat, das Baby eigentlich entdeckt.
Also wißt ihr, mal ganz ehrlich: Gesellschaft hat Schuld hin oder her. gibt es nicht genügend Hilfsorganisationen, Beratungsstellen etc. an die man sich in solchen Situationen, wie auch schon der Schwangerschaft, wenden kann ? Was soll die Gesellschaft denn noch tun ? Wir haben sehr viele menschen die ehrenamtlich ihre Hilfe einbringen in solchen Einrichtungen. Hingehen müssen die Hilfsbedürftigen aber immer noch selbst.
Erinnert mich an den Fall vor einiger Zeit hier in meiner Gegend: ein junger Mann ist in seiner Wohnung verhungert. War wohl seit ewigen Zeiten nicht mehr rausgegangen, nichtmal sein Geld abholen... Nur einige Meter weiter ist die Speyerer Tafel ... Er hätte schon hingehen müssen um Essen zu erhalten. Wir können nicht auch noch überall anfragen ob vielleicht jemand was braucht u. sich schämt ... dazu haben diese Leute so schon genug zu tun.
"Die Wesen mögen alle glücklich leben, und keinen möge ein Übel treffen. Möge unser ganzes Leben Hilfe sein an anderen! Ein jedes Wesen scheuet Qual, und jedem ist sein Leben lieb. Erkenne dich selbst in jedem Sein und quäle nicht und töte nicht."
(Gautama Buddha, 560-480)
Re: Wo ist die Gerechtigkeit...
von Dani am 25.07.2009 19:13Ich glaube, sie ist in eine Klinik gegangen und dort hat man festgestellt, dass sie vor Kurzem entbunden hat.
Ja, nur bringen die nix, wenn sich der-oder diejenige nicht traut, diese auch zu nutzen. Und Gründe für dieses "nicht trauen" gibt es genug, die auch in der Gesellschaft liegen können.
Es ist zwar ein ganz anderes Thema (aber doch irgendwie ähnlich), aber ICH habe 3 Jahre gebraucht bis ich mich getraut habe, mir Hilfe zu holen.
Natürlich kann man nicht überall anfragen. Wenn aber jeder einfach "nur" auf seine Nachbarn achten würde... Aber wie ich schon gesagt habe: Oftmals schaut man denen nur bis vor die Haustüre. Ich z.b. habe immer mal wieder bei meiner 87-Jährigen Nachbarin geklingelt, wenn ich sie 1-2 Tage nicht gesehen habe.. (sie ist seit Freitag im Seniorenheim). Ihre Tochter kam nur 1-2 Mal die Woche, Ihre Enkelkinder habe ich in den gut 2 Jahren, die ich hier wohne, vielleicht 3 Mal gesehen.. Es fängt also schon bei der Familie an!
Liebe Grüße
Dani
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