Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

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freieheide

55, Weiblich

Beiträge: 34

Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von freieheide am 20.09.2014 08:10

Guten Morgen,

ich quäle mich seit Wochen gedanklich herum: bin ich nun arbeitsunfähig oder kann ich arbeiten gehen?
 
Durch meine Kollagenose (Verdacht auf Lupus) verspüre ich eine große Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schlappheit usw. Ich fühle mich dann so, als wenn ich gerade 10 km mit Marschgepäck gelaufen wäre.
Zur Arbeit gehe (schleppe) ich mich dennoch immer, weil "es ja irgendwie geht". Komme ich dann nach Hause, falle ich wie ein Kartenhaus in mich zusammen und etwa 90% meiner Freizeit verbringe ich damit, mich einigermaßen zu erholen, damit ich am nächsten Tag meinen Pflichten als Arbeitnehmer wieder nachkommen kann. 
Medikamente nehme ich (Quensyl, MTX), aber dennoch verspüre ich diese extrem hohe Leistungsunfähigkeit. Schmerzen sind nicht so stark. Ich habe zwar täglich Kopfschmerzen und Muskelschmerzen, aber sie sind auszuhalten.

Ich arbeite Vollzeit in einer Privatschule als Lehrkraft. Wir haben Anwesenheitspflicht, d.h. dass ich meine gesamte Arbeitszeit in der Schule verbringen muss. Ich gehe früh gegen 6.30 Uhr aus dem Haus, gegen 16.30 Uhr komme ich nach Hause. Dann gehts für ca. 30 min auf die Couch und danach gehe ich mit meinem Hund eine kleine Runde (manchmal auch nicht, je nachdem wie ich kann). Gegen 19.00 Uhr gehe ich ins Bett und schlafe.
Habe ich nachmittags Termine (Arzt, Einkauf etc.) strengt mich das manchmal so sehr an, dass ich abends nicht einschlafen kann. Durch den Schlafmangel (etwa 10 Stunden brauche ich) geht es mir am nächsten Tag noch schlechter.

Nun fühle ich mich hin und hergerissen: auf der einen Seite fühle ich mich wirklich mies (aber kann man von Arbeitsunfähigkeit sprechen? -> es geht ja doch irgendwie), aber auf der anderen Seite fühle ich mich gegenüber meiner Schule und meinen Schülern auch verpflichtet. Wir sind eine sehr kleine Schule und wenn ich ausfalle, wird es extrem schwierig den Unterricht abzudecken.

Weiterhin bewegen mich solche Gedanken: und dann? Selbst wenn ich nun - angenommen - 14 Tage zu Hause bleibe, verändert sich auf lange Sicht nichts. Jede Woche ab Mittwoch, spätestens Donnerstag quäle ich mich zur Arbeit. Ich kann mich doch nicht jede Woche zwei Tage arbeitsunfähig melden?
Eine Teilzeitarbeit kommt für mich leider zur Zeit nicht in Betracht.

Wie geht Ihr damit um? Geht Ihr zur Arbeit, auch wenn Ihr Euch extrem schlapp fühlt? Oder reißt Ihr Euch zusammen und geht zur Arbeit?
Welche Lebensqualität verspürt Ihr zur Zeit?

Ich bin gespannt auf Eure Antworten und danke für Eure Hilfe. Ich drehe mich zur Zeit gedanklich im Kreis - weiß nicht, was ich machen soll.
Viele Grüße
FreieHeide 

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Anemone

-, Weiblich

Beiträge: 121

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von Anemone am 20.09.2014 08:55

Hallo Freieheide,
Deine Situation kenne ich. Schlimm ist es, wie einem diese Abgeschlagenheit in der Freizeit die Lebensqualität raubt. Wer macht es denn schon mit wenn man abends so früh schläft?
Hast du denn schon mal Kortison genommen?  Vielen hilft dies ihren Alltag durchzustehen.  
Mir macht die Konzentrationsschwäche zu schaffen. Ich muss mir viel mehr aufschreiben als früher.  Das raubt im Berufsleben Arbeitszeit.

Was sagt denn dein Rheumatologe zu deinem  Befinden? 

Gruß

Anemone 

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freieheide

55, Weiblich

Beiträge: 34

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von freieheide am 20.09.2014 14:52

Liebe Annemone,

danke für Deine schnelle Antwort. Ja, mir geht es ähnlich: meine Lebensqualität ist stark gesunken, da ich viele Einladungen absagen muss, keine langen Autofahrten durchführen kann (Eltern, Geschwister und Freunde wohnen 500 km entfernt), selbst Telefonate sind schwierig, da ich abends so früh ins Bett muss. Dafür werde ich oft von Kollegen belächelt. Ich finde das überhaupt nicht lustig. Kino, Theater, selbst ein banaler Film im TV ... geht nicht.
Kortison nahm ich bereits einmal. Meine Rheumatologin empfahl es mir: 10mg. Nutzte mir nichts. Deswegen verschrieb sie mir MTX. Beim letzten Termin bei ihr erzählte ich ihr von meinem Befinden. Sie erhöhte daraufhin MTX auf 22,5mg.
Mein Hausarzt, den ich gestern aufsuchte, empfahl mir, es nochmals mit 15 mg Kortison zu versuchen. Das nahm ich nun auch heute früh.
Leider neige ich bei meinen Arztbesuchen eher zur Untertreibung. Und beiße mich eben durch meine Arbeitsstunden durch.

Konzentrationsschwäche kenne ich auch, Wortfindungsstörungen usw. Nach etwa einer Stunde konzentriertes Arbeiten (z. B. auch Gespräch) bekomme ich Kopfschmerzen bzw. sie verstärken sich leicht. Nicht gerade günstig in meinem Beruf, da ich oft sechs Stunden Unterricht am Tag habe.

Viele Grüße
FreieHeide 

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Anemone

-, Weiblich

Beiträge: 121

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von Anemone am 20.09.2014 19:23

Hallo, 
nimmst du ausser MTX und Cortison derzeit noch was? Es gibt Ärzte die sagen Quensyl sollte man ins Trinkwasser geben  

Deine Kollegen sind ja echt toll. Als ob man sich das ausgesucht hat.
Ich arbeite zum Glück nur 27 Stunden, ich muss damit mich und  meine 14-jährige Pubsität versorgen. Aber selbst diese Stundenzahl ist in einem Beruf mit viel Verantwortung viel. Ich bin genauso alt wie du, ein paar Jährchen dürfen wir noch arbeiten.  Was ja auch gut ist, ich arbeite gerne, aber manchmal zweifel ich auch wie das alles so weitergehen soll.

Sei lieb gegrüßt,  hier bist du nicht allein.

Anemone 

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Leya

-, Weiblich

Beiträge: 4779

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von Leya am 21.09.2014 02:34

Hallo Freiheide,

Du bist krank. 
Dann würde ich mich krank schreiben lassen, bis es mir besser geht.

Und wenn die Therapie nicht anschlägt, könntest Du Spezialisten (z. B. Rheumaklink) aufsuchen.

Die Beeinträchtigungen durch die Erkankung muss man m. E. ernst nehmen und sich auf sie einstellen. Tut man das nicht, wird die Erkankung immer schlimmer. Jede Überlastung verschlimmert die Erkankung. Und wenn es sich um Lupus handelt, kann jede Verschlimmerung - jeder Schub - lebenwichtige Organe und Strukturen betreffen, damit ist nicht zu spaßen.

Es geht mir also nicht um die Einschränkungen in der Freizeit, sondern um die Basis des Lebens, nämlich so gesund wie nur irgendmöglich zu sein, also auch eine so wenig wie möglich aktive Kollagenose zu haben, also Schübe zu verhindern/ zu stoppen. 

Oh je, es ist spät und ich müde und meine Worte daher möglicherweise nicht so klar wie sonst. Also, wenn Fragen, dann frag einfach.

Alles Gute.
Gruß
Leya

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freieheide

55, Weiblich

Beiträge: 34

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von freieheide am 21.09.2014 10:56

Danke für Eure lieben Antworten. 
Gestern war für mich klar: ich werde am Montag arbeiten gehen. Heute sieht es wieder anders aus. Deine Antwort, liebe Leya, stimmte mich sehr nachdenklich. So deutliche Worte - ich war anfangs etwas erschrocken darüber, aber diese Deutlichkeit tut mir gut. Du hast (leider) recht.

In der vorletzten Woche nahm ich keine Rücksicht auf mich: zu viel Autofahren, anstrengende Fachtagung in der Landeshauptstadt, dreitägiger Kongress in Berlin... Das war zu viel. Nun erhalte ich die Quittung dafür.  Aber ich hatte mich auf diese Veranstaltungen gefreut. Das macht doch u.a. auch das Leben aus, oder?

Die Balance zu finden zwischen Arbeit und Freizeit fällt mir noch schwer. Im Alltag gelingt es mir schon ganz gut, aber ich möchte ja auch etwas er-leben und nicht meine Freizeit nur damit verbringen, mich zu erholen, so dass ich einigermaßen meine Arbeitswoche überstehe. Ich arbeite verdammt gern, fühle mich sehr wohl. Insofern tut mir meine Arbeit auch gut. Nur - ich schaffe das wohl nicht mehr. Eine bittere Erkenntnis, die nur ganz langsam in meinem Bewusstsein ankommt. 

Tja, so werde ich wohl mal nur an mich denken müssen. Das fällt mir schwer, denn in meiner Schule wird die Hölle los sein - ich habe so viele Unterrichtsstunden diese Woche. Das tut mir leid für meinen Chef und meine Kolleginnen.
Ich weiß noch nicht ... vielleicht geht es mir morgen besser? Oder schon heute Abend?

Liebe Grüße
FreieHeide 

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Anemone

-, Weiblich

Beiträge: 121

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von Anemone am 21.09.2014 12:55

Hallo Freieheide,

wie sehr ich deine Zerrissenheit kenne... Das Paket von vorletzter Woche war wohl wirklich zuviel. Man möchte immer wieder ganz normal leben. Und muss dann doch, manchmal schmerzhaft, wahrnehmen,  dass das eben nicht geht. Man muss MIT dem Wolf leben, nicht gegen ihn.
Dann noch in einem sozialen Beruf zu arbeiten macht es manchmal nicht einfacher. Man denkt an die Kinder und Kollegen. Nur letztendlich ist es dich nichts anderes als wenn in anderen Berufen die zu erledigende Arbeit auch irgendwie umverteilt oder liegenbleiben muss. Letzteres ist für mich immer das Schlimmste.  Ich muss das aufarbeiten.
Ich wünsche dir den Mut eine weise Entscheidung für dich treffen zu können.

Liebe Grüße

Anemone 

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freieheide

55, Weiblich

Beiträge: 34

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von freieheide am 22.09.2014 09:21

Habe Mut gehabt: bin heute zum Arzt und er meinte, dass ich vorerst eine Woche zu Hause bleibe. Dann müsse man mal sehen, ob evtl. noch eine zweite Woche angehängt werden sollte. 
Meinen "inneren" Kampf (Ich muss und will arbeiten versus Ich kann nicht) habe ich nun beigelegt. Ja, ich bin krank...

Nun vertraue ich auf meine Ärzte und dass sie mich gut führen und leiten. Ich fühle mich schwach, zittrig, das Autofahren (Lenkrad drehen und schalten) fällt mir schwer. 
In der nächsten Woche muss ich in die Uniklinik zum "Spezial-MRT", da sie im April ein Adenom (gutartiger Tumor) der Hypophyse festgestellt haben. Ist bereits ein Makroadenom, also relativ groß.
Und in zwei Wochen habe ich sowieso meinen quartalsmäßigen Check bei meiner Rheumatologin. 

Nun werde ich ruhen, schlafen, einen leichten Spaziergang mit meiner Hündin unternehmen. Ansonsten nichts weiter. Geht auch nicht, außer telefonieren. Und versuchen, mir keine Gedanken um meine berufliche Zukunft zu machen.

Viele Grüße,
FreieHeide 

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Bea

53, Weiblich

Beiträge: 126

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von Bea am 22.09.2014 10:08

Hallo liebe FreieHeide,

ach ich kenn das alles viel zu gut. Ich schleppe mich durch den Tag. Bin 30 Stunden berufstätig, habe zwei Kinder, einen Hund und einen Ehemann, der zu Hause keinen Finger rührt. Die letzten zwei Wochen waren einfach nur furchtbar. Bis gegen 14.30/15 Uhr im Büro, danach für Kinder Schulsachen besorgen, dann Einkaufen, Kochen, Hausübungsunterstützung, Putzen. Am Abend kann ich teilweise nicht mal mehr stehen, doch wenn ich mich kurz mal hinsetze und ausruhe, komme ich danach nicht mehr hoch. Meine Achillessehne tut furchtbar weh und meine Fersen. Also versuche ich, mich nicht hinzusetzen. So versuche ich, die Woche zu überstehen und am Wochenende kommt dann alles so richtig schön raus. Letzten Samstag hab ich 25 mg Cortison genommen, weil ich den Tag sonst nicht überstanden hätte.

Es macht mich fertig, nicht mehr leistungsfähig zu sein. Wie Du sagst, Freizeit und Privatvergnügen gibts nicht mehr. Das schaff ich dann nicht mehr. Ich würde so gerne wieder ein "normales" Leben führen - mein Leben wieder zurück haben, so wie es war, vor Ausbruch der Erkrankung.

Ich habe das enorme Glück, super liebe Kollegen und eine super tolle und verständnisvolle Chefin zu haben. Ich liebe meinen Job und gehe sehr gerne arbeiten. In der Früh kostet es mich zwar Überwindung, aufzustehen, da ich starke Schmerzen habe, aber der Job lenkt mich ab und gibt mir Kraft. 

Ich wünsche Dir für die nächsten zwei Krankenstandswochen gute Erholung und wünsche Dir, dass es Dir dann besser geht!

Liebe Grüße

Bea  

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freieheide

55, Weiblich

Beiträge: 34

Re: Extreme Abgeschlagenheit versus Arbeitnehmerpflicht

von freieheide am 22.09.2014 15:26

Liebe Bea,

danke für Deine Antwort. Unglaublich, was Du alles schaffst!
Ja, auch mir gibt meine Arbeit Kraft und Energie (=tut meiner Seele gut), aber auf der anderen Seite raubt sie mir auch unheimlich viel davon. Weißt Du, wie ich das meine?

Was meinst Du - wie lange hältst Du dieses Tempo durch? Ich wünsche Dir sehr, dass es ganz lange gut geht.
Ich für meinen Teil bin nun "eingeknickt", will mehr auf meinen Körper hören, auf seine Signale, die er mir sendet. Das gelingt mir sehr schlecht, aber ich habe nun erstmal einen Anfang gemacht. Die deutlichen Worte von Leya machten es mir u.a. möglich.
Viel lieber wäre es mir, wenn ich die aktive Powerfrau sein könnte, die ich mal war - nichts zu viel, auf allen Hochzeiten tanzend, spielerisch alle Aufgaben meisternd.... geht nicht mehr. Nicht mal ansatzweise.
Seit einigen Wochen gönne ich mir nun Putzdamen vom DRK, die meinen Haushalt in Ordnung halten. Ich schaffe das nicht mehr. Es war schwer für mich zu akzeptieren, dass ich mit Mitte 40 meine Hausarbeit nicht mehr bewältigen kann. Sogar meine Mama mit Mitte 70 schafft ihren Haushalt (bis auf wenige Ausnahmen) noch. 

Ich bin davon überzeugt, dass es mir nach ein oder zwei Wochen zu Hause mit viel Schlaf, körperlicher Erholung, auch Meditation und Yoga wesentlich besser gehen wird. Dann kann ich in meiner Schule wieder 100% geben und darauf freue ich mich schon. Was danach kommen wird - es wird sich zeigen. 

Nur das Beste für Dich / Euch wünscht
FreieHeide 

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